Willkommen im Reich von Hannes. Hannes? Was ist das? Hannes ist das Maskottchen des TCOs und wird uns und Euch ab sofort immer wieder begleiten. Sei es als Geschichte oder als Comic oder als Missionsmarker.
Auf dieser Seite laden wir Euch ein, an Hannes Abenteuern teil zu haben.
Hannes - wie alles begann
Es war Nacht. In solchen Geschichten ist es immer Nacht. Es war also eine tiefschwarze Nacht im schwärzesten Teil des Schwarzwaldes. Selbst das fahle Licht des Vollmondes vermochte es nicht, den Boden zwischen den Bäumen zu erhellen. Zwischen diesen Bäumen duckte sich Maries Mühle. Es war ungewöhnlich, dass sie als Frau eine Mühle besaß, sah das Erbrecht doch stets männliche Erben für Grundbesitz vor. Ihre Ehemänner hatten die unerfreuliche Neigung, früh zu versterben und da Marie eine ungewöhnlich energische Dame war, traute sich nach dem dritten tragischen Todesfall keiner mehr ihren Besitzanspruch anzufechten.
Ein triumphierendes Kichern durchbrach die Stille, einzig gedämpft durch die schweren Vorhänge vor Türen und Fenstern und die Eiszapfen, die das gedrungene Dach der Mühle säumten. Marie stand in der spärlich beleuchteten Stube. Der Schein zweier Kerzen warf den Schatten ihrer grossen, hageren Statur an die Wand, ihre krumme Nase zeichnete sich scharf unter den hohen Wangenknochen ab.
Schön im klassischen Sinne war sie nie gewesen. Auch der Liebreiz und die Anmut der Jugend waren stets Attribute, die kaum jemand mit Marie in Verbindung gebracht hätte. Allerdings hätte sich auch nie jemand getraut dies laut zu äußern. Nichtsdestotrotz verfügte Marie über in der Region geschätzte Qualitäten: Sie war arbeitsam und konnte Geburtshilfe bei Ziegen, Schafen und Kühen leisten, sie konnte Schnaps brennen und gut kochen.
Im Moment rührte Marie in einem gewaltigen schwarzen Kessel, in dem sich eine blubbernde, zähflüssige Masse befand, die im Widerschein der Kerzen fluoreszierte. Sie sprach mit sich selbst – nicht, weil die verrückt war, sondern weil sie sich nie ein Gespräch mit einem klugen Menschen entgehen lassen würde.
„Noch e Blindschleicheschwänzel und die ledschde Formel saie, hihihihi, dann kann ich min Artefakt vollende. Gesegnet bisch Hecate, in Dinem Name werd ich jeden Ort vom Multiversum b‘suche!“
Ein Grummeln in ihrer Magengegend ließ sie innehalten. Höchst unzeremoniell rief sie darum „Hannes!!!!“.
Es passierte – nichts. Geduld war gleichsam keine von Maries Tugenden. Sie wartete kurz in die Stille hinein horchend. „Wo bleibt seller elendige Kaib? HAAAAANNNNEEEEESSSS!!!“
Christophorus öffnete sein noch verbliebenes Auge. Das Geplärr seiner Futtergeberin hatte ihn unsanft geweckt. Das schätzte er gar nicht. Er streckte sich nach Katzenart, machte einen Buckel und verließ seinen Platz vor dem Kachelofen, nicht ohne Marie einen strafenden Blick zuzuwerfen.
Schlurfende Schritte näherten sich unangebracht langsam der schweren Eichentür. Marie unterdrückte den Impuls, ihren Knecht durch nochmaliges Rufen zu beschleunigen.
Im Türrahmen erschien ein Mann durchschnittlicher Statur und mittleren Alters. Seine Kleidung war schlicht, aber sorgsam geflickt. Das bereits schütterwerdende Haar wurde von einem abgewetzten Heckerhut bedeckt – sein wertvollster Besitz und eine Erinnerung an seine frühen Jahre, in denen er als glühender Anhänger der Freischärler der badischen Revolution für die Freiheit gekämpft hatte.
„Ja Frau Marie? Pressiert’s? Der Schorsch un ich würfle grad….“
Das war ihr auch ohne diese Information klar gewesen, nicht nur weil Hannes die Würfel in der Hand hielt, sondern weil er JEDEN Abend mit Schorsch würfelte.
Schorsch betrieb die Mühle seit Maries letzter Ehemann, der Müller, viel zu früh nach dem Genuss eines Pilzomelettes von ihr gegangen war.
Christophorus schlich angelegentlich auf Hannes zu und begann, sich an seinem Bein zu reiben. Hannes war einer seiner bevorzugten Menschen: Er redete wenig und störte deshalb selten. Und deshalb ahndete er auch nicht, dass er ihn zuweilen „Stoffel“ nannte.
„Ja, es pressiert, bring mir den Topinambur!“ herrschte Marie Hannes an.
Hannes starrte sie mit leerem Blick an „Hä?“
„Den Rossler, Du Schofseggel!“
Die Leere in Hannes Blick wich einem kleinen Funken, ausgelöst von einem Gedanken, der ihm kam:
„Du, Frau Marie, brauchsch denne für dinne Supp?“
„Ah was, Du Lellebembel, mir liegt des Schäufele von heit mittag schwer im Mage. Dummel Dich!“
Hannes stand lange genug in Maries Diensten um zu wissen, wann sie kurz davor war, dass Ihr der Geduldsfaden riss. Und da er nach drei verflossenen Ehemännern – bei Nummer zwei sogar im wörtlichen Sinne (tragische Geschichte!) - nicht gewillt war, die Reihe der Knechte zu eröffnen, erfasste ihn hektische Betriebsamkeit.
„Ach, der Rossler, ward, der isch dort driwwe im Regal hinder Dir, ich lang ihn Dir runder….,“ sprach der Hannes und wollte dienstbeflissen an Marie vorbei. Unglücklicherweise schubberte sich der Kater noch immer an Hannes‘ Bein, sodass dieser strauchelte und stolperte. Vor der Schwerkraft konnte man sich selbst in den abgelegensten Winkeln des Schwarzwaldes nicht verstecken und so ruderte Hannes wild mit den Armen, um nicht zu Boden zu stürzen. Mit schreckgeweiteten Augen verfolgte Marie, wie Hannes dabei seine Würfel los ließ, die kleinen weißen Geschossen gleich, durch die Stube flogen.
„Pass uff, Du Labbeduddel!“ keifte sie in heller Panik, doch es war zu spät: Mit einem schmatzenden Geräusch plumpste der erste Würfel in das zähe Gebräu ihres Kessels. Der zweite prallte mit einem markerschütternden „Klonk“ vom inneren Kesselrand ab, um dann seinerseits in Zeitlupe vom leuchtenden Matsch umschlossen zu werden.
Marie war sich bewusst, was alsbald passieren würde und vollführte sofort eine kompliziert anmutende Abfolge von Gesten mit der linken Hand mit der rechten hielt sie ihren Bollenhut fest. Trotz dreier Gatten hatte sie die wolligen Bälle nie gegen die üblichen schwarzen getauscht. Rot stand ihr besser, fand sie… und die schwarze Spitze, die aus den roten Bollen ragte genügte ihr. In einem grellen Blitz verschwanden sie und ihr Kater. Zurück blieb ein verdutzt drein blickender Hannes.
Der Kessel pulsierte und begann, sich knarrend und krachend zu verformen. Hannes wich zurück und wischte dabei drei kleine Fläschchen von einem Teewagen. Sie zerbrachen und ihr Inhalt mischte sich in einer Lache auf den hölzernen Bohlen der Stube zu Hannes Füssen. Es stieg ein seltsamer Dampf auf, ja eher ein Staub, umhüllte und umfing ihn, er nieste und in dem Moment…… explodierte der Kessel.
Der Morgen graute bereits und Maries Stube und ein Großteil der Mühle lag in rauchenden Trümmern. Hannes fühlte sich seltsam. Er hatte Kopfschmerzen und irgendetwas störte seine Sicht. Etwas benommen betastete er seinen Kopf. Sein Hut war an Ort und Stelle, seine Stirn fühlte sich kalt an. Er bekam etwas zu fassen und zog daran. In seinem Auge steckte die Feder auf die der Kuckuck montiert war, der in Maries Stube Stunde um Stunde vermeldet hatte. Der Kuckuck gehörte zu Maries Kuckucksuhr, einst ein Präsent ihres ersten Gatten, einem Schreiner, der neben seiner Schreinerei auch über einen eigenen Wald verfügte und offenbar und zu aller Entsetzen eine Allergie gegen Bienenstiche hatte. Das hölzerne Vögelchen hatte sich angeschickt, sich in Hannes‘ Schädelhöhle einzunisten, aber nicht mit ihm. Mit einem Ruck entfernte er den Kuckuck auf seiner Feder und warf ihn in eines der Glutnester.
Die Kopfschmerzen verschwanden und die Sicht klarte sich auf. Nur seine Haut war seltsam fahl, eher leichenblass und kalt.
„Dass des einer iwwerläbt, isch scho e wenig komisch…“ dachte Hannes und blickte auf die schwelenden Überbleibsel der Explosion. Vor ihm auf dem Boden, unter einer dünnen Schicht Asche, leuchtete etwas in schwachem blau. Er hätte schwören können, dass das gerade noch nicht da gewesen war. Hannes rappelte sich auf und griff nach dem Leuchten. Er blies die Asche von den Objekten, die er aufgehoben hatte und erkannte zu seiner Freude, dass es seine geliebten Würfel waren.
„Ob die noch duun?“ wollte er wissen und ließ sie in seine geöffnete andere Handfläche purzeln.
Er hatte einen Sechserpasch geworfen. Offensichtlich funktionierten sie noch. Ein greller Blitz blendete ihn. Als seine Sicht zurückkehrte, befand er sich zu seiner Verwunderung nicht mehr in den Trümmern der Mühle, ja offensichtlich noch nicht einmal mehr im Schwarzwald.
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